Die Lager in Remagen (PWTE A2) und Sinzig (PWTE A5)
Offizielle Bezeichnung: Prisoner of War Temporary Enclosure A2 (Remagen) und Prisoner of War Temporary Enclosure A5 (Sinzig)
Geplante Kapazität: 100.000 in Remagen und 100.000 in Sinzig
Existenzdauer: Ende April 1945 bis 20. Juni 1945 (Remagen), Anfang Mai 1945 bis 20. Juli 1945 (Sinzig).
Ansprechpartner vor Ort: Friedensmuseum Brücke von Remagen | An der Alten Rheinbrücke | 53424 Remagen | Telefon: 02642/21863 | Fax: 02642/981821 | E‑Mail: info@bruecke-remagen.de
Aufbau und Struktur der Lager
Das Lager in Remagen, eines der ersten Rheinwiesenlager neben Rheinberg und Bad Kreuznach, war schrittweise ab Mitte April für 100.000 Kriegsgefangene angelegt worden. Das Areal wurde in Folge des Zustroms von Kriegsgefangenen immer wieder erweitert. Im Süden grenzte es an den Nachbarort Kripp. Durch das Lager verlief eine Straße, die die einzelnen Cages verband, in denen die Gefangenen in Gruppen zu jeweils 5.000 bis 7.000 untergebracht waren. Doch auch dieses Areal reichte nicht aus und so wurde zwischen Sinzig und Niederbreisig ein weiteres Lager für 100.000 Menschen eingerichtet, das durch die Bahnlinie und den Rhein begrenzt wurde. Dieses Vorgehen brachte zunächst eine Entspannung in Remagen, da Gefangene nach Sinzig verlegt werden konnten, doch auch hier überstieg ihre stetig wachsende Anzahl bald den zur Verfügung stehenden Platz.
Remagen und Sinzig waren zwar als getrennte Lager geplant worden, wie die unterschiedlichen Bezeichnungen PWTE A2 (Remagen) und A5 (Sinzig) beweisen, sie lagen räumlich aber sehr nah beieinander. Sie blieben dennoch während ihrer gesamten Existenz getrennt und wurden von unterschiedlichen Kommandos geleitet.
Lebensbedingungen in den Kriegsgefangenenlagern Remagen und Sinzig
Die ‚Goldene Meile‘, wie der Lagerbereich entlang des Rheins zwischen Remagen und Sinzig wegen seiner Fruchtbarkeit traditionell genannt wird, war stark überfüllt. Allein in Remagen wurden am 2. Mai 1945 170.000 Gefangene auf engstem Raum untergebracht und in Sinzig waren zeitweise bis zu 118.000 Gefangene interniert. Viele von ihnen waren Wehrmachtsoldaten, die bei der Kapitulation nach der Kesselschlacht im Ruhrgebiet gefangen genommen worden waren. Auch in Sinzig stieg die Zahl der Kriegsgefangenen, die mit LKW oder zu Fuß in das Lager kamen, beispielsweise innerhalb von zwei Tagen (4. bis 6. Mai 1945) um etwa 24.000 Menschen an. Eine Entspannung in beiden Lagern trat ab Ende Mai ein, da zunehmend Gefangene entlassen oder in andere Lager verlegt wurden.
In Remagen und Sinzig waren in der nur wenige Wochen dauernden Existenz der Lager verschiedene Gefangenengruppen getrennt voneinander untergebracht. Es gab spezielle Bereiche für Frauen, deren genaue Anzahl allerdings nicht bekannt ist. Sie waren jedoch im Gegensatz zu den männlichen Gefangenen besser untergebracht, denn man stellte ihnen Zelte zur Verfügung. Die Offiziere wurden ebenfalls, wie in den Genfer Konventionen vorgesehen, in einem eigenen Camp untergebracht und erhielten auch Zelte. Spezielle Lagerbereiche wurden zudem für die Jugendlichen und ‚Kindersoldaten‘ eingerichtet. Der Großteil der Gefangenen musste allerdings in Remagen und Sinzig unter freiem Himmel bleiben und versuchte sich mit selbstgegrabenen Erdlöchern Schutz gegen die Witterung zu schaffen.
Wegen der Versorgungsschwierigkeiten litten die durch die Kämpfe und Kriegsjahre seelisch und körperlich geschwächten Menschen unter Hunger, Durst, dem oft tagelangen Stehen sowie dem Wetter, dem sie ungeschützt ausgesetzt waren. Gegen den Hunger sammelten einige Gefangene zu Anfang die im Boden liegenden Rüben ein, da die täglichen Rationen meist zu klein waren und nur unregelmäßig in den einzelnen Camps ankamen. Gerade am Anfang, also in den Wochen vor und nach Kriegsende, kam es vor, dass mehrere Tage nichts oder nur sehr wenig ausgegeben werden konnte. Dies besserte sich langsam mit der zunehmenden Organisation der Lagerverwaltung. Bei der Zubereitung der Lebensmittel mussten sich die Gefangenen dabei auf verschiedenen Wegen behelfen oder die Rationen kalt zu sich nehmen: Einige Gefangene funktionierten daher leere Konservenbüchsen zu Kochstellen um.
Wie die Verteilung der Lebensmittel lagen die generelle innere Lagerleitung und die Lagerpolizei in den Händen der deutschen Kriegsgefangenen. Für diese wichtigen Positionen wurden vor allem Gefangene mit dem militärischen Grad eines Feldwebels ausgewählt. Der Charakter dieser Männer entschied darüber, wie sie ihre Aufgabe erledigten: So finden sich in den Berichten ehemaliger Kriegsgefangener aus Remagen und Sinzig sowohl Hinweise auf eine gute Organisation als auch auf Verantwortliche, die sich auf Kosten der übrigen Gefangenen bevorteilt.
In Remagen und Sinzig gab es schnell Bestrebungen der amerikanischen Verantwortlichen, die Lager besser auszubauen. Gechlortes Rheinwasser wurde über Leitungen in die Lager geführt und eine Stelle am Rhein eingerichtet, an der sich die Gefangenen waschen konnten. Es wurden Latrinengräben mit Balken zum Sitzen aufgebaut, die jedoch von Gefangenen oft als Brennstoff verwendet wurden, da kein anderes Material zur Verfügung stand. Die Gefangenen selbst arbeiteten wie in anderen Lagern auch daran mit und entwickelten zudem Initiativen, um das Nichtstun im Lager zu unterbrechen: Wer konnte und wollte, gab seinen Mitgefangenen Unterricht in verschiedenen Themenbereichen, Theaterstücke wurden aus dem Gedächtnis aufgeführt, Geistliche hielten evangelische und katholische Gottesdienste ab, Chöre formierten sich und es wurde auch ein Varieté gegründet. Professionelle Opernsänger, Musiker, Zauberer, Komiker und andere Künstler zogen damit durch die verschiedenen Campbereiche und traten auf.
Die meisten der Kriegsgefangenen gingen in den Lagern Remagen und Sinzig keiner Arbeit nach, nur einige wurden zu Arbeitskommandos im und außerhalb der Lager eingezogen. Letzteres nutzten sie oft, um mit Zivilisten in Kontakt zu treten. Zeitzeugen berichten, dass Zivilisten den Männern bei dieser Gelegenheit Lebensmittel zusteckten.
Die amerikanische Armee dokumentierte durch Filmaufnahmen in Remagen die Lagerbedingungen. Am 27. April 1945 drehten sie einen siebenminütigen Film, der auch das Frauenlager zeigt.
Für die Versorgung der Kranken und Verletzten der Lager wurden zwei Krankenhäuser in Remagen sowie Linz wieder hergerichtet und im nahen Kripp wurde in der dortigen Lederfabrik eine Behandlungsstätte eingerichtet. Dort und in den ‚Krankenrevieren‘ in beiden Lagerteilen – bestehend aus mehreren großen Zelten – arbeiteten insgesamt 120 deutsche Ärzte und 750 deutsche Sanitäter. Man hatte sie ausgewählt, da das amerikanische Field-Hospital die medizinische Versorgung der Lager nicht gewährleisten konnte. Trotz dieser Bemühungen starben etwa 1200 Menschen in den Lagern Remagen und Sinzig, was einer Sterblichkeitsrate von ca. 0,5 Prozent entspricht. Seuchen, an denen wesentlich mehr Gefangene gestorben wären, konnten verhindert werden. Die Toten aus den Lagern Remagen und Sinzig, aber auch aus den Lagern Miesenheim, Andernach und später auch Koblenz wurden zwischen dem 28. April und dem 15. Juli 1945 auf einem neuangelegten Friedhof in Bodendorf begraben. Insgesamt handelte es sich um 1090 Tote. Die 612 QM Graves Registration Company informierte auf Formblättern darüber das Internationale Rote Kreuz in Genf, das sich wiederum um die Benachrichtigung der Angehörigen bemühte. Im Lager verstorbene Zivilisten wurden auf Zivilfriedhöfen in Remagen, Kripp, Sinzig, Niederbreisig, Linz und in Ittenbach begraben. 1957 wurde der Bodendorfer Ehrenfriedhof vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge neu gestaltet und weitere Kriegstote aus der Umgebung zugebettet, so dass sich dort heute 1212 Gräber befinden.
Auflösung der Lager Remagen und Sinzig
Am 10. Juli 1945 wurde das Lager Sinzig mit zu diesem Zeitpunkt noch 25.200 Gefangenen zusammen mit den Lagern Andernach, Siershahn, Bretzenheim, Dietersheim, Koblenz, Hechtsheim und Diez von der amerikanischen Militärverwaltung an die französische Militärregierung übergeben, da sie in deren Besatzungszone lagen. Remagen war bereits am 20. Juni 1945 aufgelöst worden: Die Kriegsgefangenen waren entweder entlassen – dies traf vor allem auf Alte, Jugendliche, Frauen und jene Männer zu, die beim Wiederaufbau der deutschen (Land-)Wirtschaft helfen konnten – oder in die Lager Rheinberg und Andernach verlegt worden. So war die Zahl der Gefangenen immer weiter gesunken: Allein zwischen Anfang und Ende Mai hatte sie sich in Remagen von ca. 170.000 auf 81.000 verringert. Sinzig blieb zunächst – ebenfalls mit stark sinkenden Gefangenenzahlen – weiterhin bestehen, bis es von der französischen Armee nach knapp viermonatiger Existenz aufgelöst wurde. Die letzten Gefangenen aus Sinzig mussten Mitte Juli zu Fuß in das Lager Andernach marschieren.
Erinnerung an das Lager
Heute halten lokale Initiativen die Erinnerung an die Kriegsgefangenenlager in Remagen und Sinzig auf vielfältige Weise, etwa durch Mahnveranstaltungen, wach. 1987 wurde eine Kapelle für die ‚Schwarze Madonna‘ – eine Statue des Kriegsgefangenen Adolf Wamper, der schon während der NS-Zeit ein erfolgreicher Bildhauer gewesen war – zur „Mahnung zum Frieden“ eingerichtet.
Vor Ort haben sich zudem verschiedene Gruppen gegründet, um an die Geschichte des Lagers zu erinnern und diese zu erforschen. Das „Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie“ (www.buendnis-remagen.de) organisiert Mahnveranstaltungen, in denen an die alliierten Kriegsgefangenenlager auf der Basis gesicherter Fakten erinnert wird. Der Instrumentalisierung durch die rechtsextreme Szene wird entschieden entgegen gearbeitet.
Das Friedensmuseum Brücke von Remagen thematisiert in seiner Ausstellung die Lager Remagen und Sinzig. Zahlreiche Gegenstände aus dem Lager sind dort für die Besucher des Museums zugänglich. Weitere Informationen finden Sie hier.
Der Kreis Ahrweiler stellte auch einen Kurzfilm unter Einbindung amerikanischer Originalaufnahmen her, in dem die Lager Remagen und Sinzig und die Aufarbeitung der Thematik vor Ort nachgezeichnet werden.