Entlassungen und Ende

Ent­las­sung, Arbeits­ein­sät­ze in Frank­reich und das Ende der Rheinwiesenlager

Die meis­ten der Rhein­wie­sen­la­ger bestan­den nur weni­ge Wochen oder Mona­te und wur­den nach Kriegs­en­de schritt­wei­se auf­ge­löst. Bereits im Mai 1945 begann das US-Mili­tär mit der Ent­las­sung von Frau­en und Jugend­li­chen, die sie als poli­tisch unver­däch­tig ein­stuf­ten. Es folg­ten die Män­ner über 50 Jah­re, die kriegs­ver­letz­ten Sol­da­ten und all die­je­ni­gen, die zum Wie­der auf­bau der kriegs­ge­schä­dig­ten Indus­trie und Land­wirt­schaft in Deutsch­land benö­tigt wur­den. Die Gefan­ge­nen muss­ten jedoch erst mehr­ma­li­ge Ver­hö­re durch­lau­fen, um ihre Ver­gan­gen­heit und even­tu­el­le Schuld an Kriegs­ver­bre­chen zu klä­ren. In der Pra­xis unter­schied sich das Aus­maß der Befra­gun­gen von Per­son zu Per­son und von Lager zu Lager. In Fra­ge­bö­gen muss­ten die Gefan­ge­nen ange­ben, ob sie Mit­glie­der der Waf­fen-SS, Kriegs­ver­bre­cher oder Auf­sichts­per­so­nal in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern gewe­sen waren. War dies der Fall, durf­ten sie nicht ent­las­sen werden.

In Bretzenheim ausgestellter Entlassungsschein, Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim

In Bret­zen­heim aus­ge­stell­ter Ent­las­sungs­schein, Quel­le: Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Bretzenheim

Die USA waren die ein­zi­ge Besat­zungs­macht, die nicht auf die Arbeits­kraft von Kriegs­ge­fan­ge­nen beim Wie­der­auf­bau eines zer­stör­ten Hei­mat­lands ange­wie­sen waren. Daher lie­fen die Ent­las­sun­gen bezie­hungs­wei­se Über­stel­lun­gen aus ame­ri­ka­ni­schen Lagern bereits Ende April/Anfang Mai an und waren ver­gleichs­wei­se rasch abge­schlos­sen. Durch die zahl­rei­chen Ent­las­sun­gen und Ver­le­gun­gen sank die Zahl der Gefan­ge­nen in den Rhein­wie­sen­la­gern inner­halb von sechs bis acht Wochen nach der Errich­tung der Lager auf ins­ge­samt 175.000 bis 180.000. Dadurch kam es rasch zu immer wei­te­ren Schlie­ßun­gen von Lagern: Mit­te Juni 1945 wur­den bei­spiels­wei­se bereits die Lager in Rema­gen, Böhl-Iggel­heim, Bad Kreuz­nach-Gal­gen­berg und Bie­bels­heim geschlos­sen. Die dort inter­nier­ten Kriegs­ge­fan­ge­nen waren ent­we­der ent­las­sen oder in ande­re Lager über­stellt wor­den, um von dort zu Wie­der­gut­ma­chungs­ar­bei­ten in Frank­reich gebracht zu werden.

Am 12. Juni 1945 wur­den die Lager Rhein­berg, Büde­rich und Wick­rath­berg an das bri­ti­sche Mili­tär über­ge­ben, da die­se in des­sen Besat­zungs­zo­ne lagen. Acht ande­re Lager wur­den aus dem­sel­ben Grund am 10. Juli 1945 an die fran­zö­si­sche Mili­tär­ver­wal­tung gege­ben. Die­ses Vor­ge­hen war schon vor Kriegs­en­de beschlos­sen wor­den, da die­se Län­der durch die Kriegs­hand­lun­gen stark zer­stört wor­den waren und die deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen nun am Wie­der­auf­bau und in der Land­wirt­schaft mit­ar­bei­ten soll­ten. Ins­ge­samt über­ga­ben die USA 740.000 Män­ner an Frank­reich, 123.000 an Groß­bri­tan­ni­en und knapp 49.000 an Bel­gi­en, Luxem­burg und die Niederlande.

Nach der Über­nah­me der Lager durch das fran­zö­si­sche Mili­tär wur­den bestimm­te Grup­pen – ins­ge­samt ein Drit­tel der Gefan­ge­nen der Rhein­wie­sen­la­ger – in die Hei­mat oder in ande­re Lager in der jewei­li­gen Besat­zungs­zo­ne ent­las­sen. Die meis­ten Kriegs­ge­fan­ge­nen wur­den aller­dings zu Repa­ra­ti­ons­ar­bei­ten nach Frank­reich gebracht; Kran­ke und Schwa­che ent­ließ man vor­her. Die Gefan­ge­nen erleb­ten die­se Zeit in den Rhein­wie­sen­la­gern als beson­ders unsi­cher, da es Ver­le­gun­gen gab, sie aber nicht wuss­ten, wohin sie gebracht wur­den und zu wel­chem Zweck dies erfolg­ten. Zudem ver­schlech­ter­te sich die Ver­sor­gung mit Lebens­mit­teln kurz­fris­tig so sehr, dass das Rote Kreuz inter­ve­nier­te und im Okto­ber 1945 Lebens­mit­tel­ra­tio­nen aus den USA in die Lager gebracht wer­den muss­ten. Ab Früh­jahr 1946 herrsch­te eine all­ge­mein aus­rei­chen­de Ver­sor­gung in den zu die­sem Zeit­punkt noch bestehen­den Lagern.

Sowohl die fran­zö­si­schen als auch die bri­ti­schen Lager wur­den rasch auf­ge­löst und Ende Sep­tem­ber 1945 exis­tier­ten nur noch ein Lager in Heil­bronn und Bret­zen­heim. Letz­te­res dien­te den Fran­zo­sen als Durch­gangs­la­ger (Dépôt de tran­sit) für die zur Auf­bau­ar­beit in Frank­reich bestimm­ten und von dort zurück­keh­ren­den deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen. Hier­für wur­de das Lager ab Herbst 1945 mit Bara­cken aus­ge­baut. Am 31. Dezem­ber 1948 wur­de es als letz­tes Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger in der Nähe des Rheins end­gül­tig geschlos­sen und die Exis­tenz der alli­ier­ten Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger am Rhein fand so ein Ende.

Durch das Aus­fül­len von Fra­ge­bö­gen soll­te sicher­ge­stellt wer­den, dass nur die­je­ni­gen ent­las­sen wur­den, die poli­tisch unver­däch­tig waren und nicht an Kriegs­ver­bre­chen betei­ligt gewe­sen waren. Nach der Schlie­ßung der meis­ten Rhein­wie­sen­la­ger behiel­ten die Fran­zo­sen Bret­zen­heim als Lager für die Ver­schi­ckung der Män­ner als Arbeits­kräf­te nach Frank­reich und spä­ter für Ent­las­sun­gen. Aus Frank­reich zurück­keh­ren­de Kriegs­ge­fan­ge­ne, die dort beim Wie­der­auf­bau des Lan­des ein­ge­setzt waren, erhiel­ten in Bret­zen­heim ihre Ent­las­sungs­schei­ne und tra­ten von dort die Rei­se in ihre Hei­mat oder zu einem Neu­an­fang an.

Über ihre Erfah­run­gen beim Arbeits­ein­satz in Frank­reich berich­ten ehe­ma­li­ge Kriegs­ge­fan­ge­ne wie der damals 17-jäh­ri­ge Chris­tof Heyduck in Inter­views des deutsch-fran­zö­si­schen Pro­jekts „Gefan­gen // Befreit“. Dort fin­den sich auch wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen und zeit­ge­nös­si­sche Doku­men­te zur Kriegs­ge­fan­gen­schaft in Frankreich.