Überleben und Sterben im Lager

Die Ver­sor­gung von 3,4 Mil­lio­nen Kriegs­ge­fan­ge­nen mit Lebens­mit­teln war eine so gro­ße logis­ti­sche Her­aus­for­de­rung für die ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräf­te, dass sie die­se in der kur­zen Zeit­span­ne zwi­schen Ende März und Juli 1945 nicht hin­rei­chend gewähr­leis­ten konn­ten. So waren vor allem in den ers­ten Wochen im April und Mai die aus­ge­ge­be­nen Lebens­mit­tel­ra­tio­nen nicht aus­rei­chend und selbst die kar­gen Ratio­nen wur­den nur unre­gel­mä­ßig ver­teilt. Die Gefan­ge­nen der Rhein­wie­sen­la­ger hun­ger­ten in den ers­ten Mona­ten sehr, man­che von ihnen erhiel­ten erst nach Wochen das ers­te Brot. So aßen sie auch alle mög­li­chen Pflan­zen, die sie im Lager fan­den. Es war zudem schwie­rig, die mage­ren Tages­ra­tio­nen zuzu­be­rei­ten, da man sich das Brenn­holz und die Öfen erst orga­ni­sie­ren muss­te und es davon zu wenig gab. Daher aßen die Gefan­ge­nen den Inhalt der Kon­ser­ven­do­sen meist kalt. Auch die Ver­sor­gung mit Trink­was­ser war nicht aus­rei­chend und für das stark gechlor­te Was­ser – die ame­ri­ka­ni­sche Lager­lei­tung ver­such­te so die Ver­brei­tung von Krank­hei­ten ein­zu­däm­men – muss­ten die Kriegs­ge­fan­ge­nen stun­den­lang anstehen.

Kriegsgefangene funktionierten Konservendosen zu  Öfen um, Zeichnung R. Kluge, „Der Herr Oberstleut- nant beim Brotrösten“, Bretzenheim 1945, Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim

Kriegs­ge­fan­ge­ne funk­tio­nier­ten Kon­ser­ven­do­sen zu Öfen um, Zeich­nung R. Klu­ge, „Der Herr Oberst­leut­nant beim Brot­rös­ten“, Bret­zen­heim 1945, Quelle:Dokumentationszentrum Bretzenheim

Teil­wei­se gestat­te­ten die Alli­ier­ten vor­über­ge­hend die Zusatz­ver­sor­gung der Lager durch die Bevöl­ke­rung aus den umlie­gen­den Ort­schaf­ten, wes­halb zuneh­mend von Kir­chen und loka­len Behör­den Lebens­mit­tel- und Klei­der­samm­lun­gen orga­ni­siert wur­den. Manch­mal konn­ten Lebens­mit­tel­pa­ke­te auch von Zivi­lis­ten in die Lager gebracht wer­den. Doch zum einen hat­ten die Men­schen außer­halb der Lager selbst kaum noch Vor­rä­te und daher Pro­ble­me mit der täg­li­chen Ver­sor­gung. Zum ande­ren ver­bo­ten man­che Wachen, Nah­rung über den Zaun zu rei­chen. Eini­ge der Kriegs­ge­fan­ge­nen ver­such­ten daher durch Tausch­han­del mit den ame­ri­ka­ni­schen Bewa­chern ihre Situa­ti­on zu ver­bes­sern. Doch die Mehr­heit im Lager litt trotz aller Bemü­hun­gen zunächst Hunger.

Die Kriegs­ge­fan­ge­nen nutz­ten Kon­ser­ven­do­sen, um aus ihnen klei­ne Öfen zu bau­en, in denen sie ihre Lebens­mit­tel­ra­tio­nen auf­wär­men oder ander­wei­tig zube­rei­ten konn­ten. Nach den kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen im April 1945 ver­bes­ser­te sich die Ver­sor­gung dann jedoch von Woche zu Woche in allen Berei­chen ste­tig. Die Lager­ver­wal­tun­gen arbei­te­ten nun effek­ti­ver und rich­te­ten Lager­kü­chen ein. Ab Juli 1945 kann man von einer weit­ge­hend gesi­cher­ten Ver­sor­gung der Gefan­ge­nen in den Rhein­wie­sen­la­gern sprechen.

Wegen  der  lan­ge  Zeit  feh­len­den  Regis­trie­rung der Kriegs­ge­fan­ge­nen und der Ver­stor­be­nen in den Lagern ist es schwie­rig, die Zahl der Toten in den Rhein­wie­sen­la­gern genau zu bezif­fern. Die zuletzt von Fach­leu­ten ange­ge­be­ne Zahl von 5.000 bis 10.000 Toten in den Rhein­wie­sen­la­gern, was weni­ger als einem Pro­zent der Gefan­ge­nen ent­spricht, kann daher nur eine Ori­en­tie­rung dar­stel­len. Grund­sätz­lich ist dabei fest­zu­hal­ten, dass – obwohl kei­ne Seu­chen aus­bra­chen – die Sterb­lich­keit in den Rhein­wie­sen­la­gern zwar im Ver­gleich zu ande­ren west­al­li­ier­ten Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gern hoch war. Von einer sys­te­ma­tisch geplan­ten Ermor­dung deut­scher Sol­da­ten – wie sie  von  Rechts­extre­men  behaup­tet  wird  – oder einem plan­mä­ßig her­bei­ge­führ­ten Mas­sen­ster­ben in der Grö­ßen­ord­nung von einer Mil­li­on Toten  kann  jedoch  über­haupt  nicht die Rede sein.